Pattensen

Die Kuhstreichelmelkmaschine

pattensen. Große Pause an der Ernst-Reuter-Schule in Pattensen. Der zehnjährige Benny isst sein Butterbrot, trinkt Tee aus einer Thermoskanne, fummelt in seinem Tornister, stochert mit einem Zweig in einem Beet herum. Neben ihm sitzt seine beste Freundin, lacht mit ihm, spricht mit ihm, piekt ihn in die Seite. Sie heißt Friederike und ist 47 Jahre älter als er.. Benjamin – Benny, wie alle sagen – leitet unter dem Asperger Syndrom, dem "unsichtbaren Autismus", wie die Krankheit auch genannt wird. Er hat das gesetzliche Recht auf eine Schulbegleitung. Das ist von der ersten Klasse an Friederike Seeger. "Das erste halbe Jahr haben wir nur damit verbracht, uns aneinander zu gewöhnen", erzählt die Diplom-Pädagogin lachend.

Die Krankheit hatte ihn damals voll im Griff, auf der Arnumer Wäldchenschule im Klassenverband mit 24 Mitschülern ist er überhaupt nicht klargekommen. "Der Schulwechsel auf eine Förderschule im hannoverschen Stephansstift hat alles verändert. Dort stimmten einfach die Vorraussetzungen für Benny", sagt Seeger, "da waren nur zehn Schüler pro Klasse, und er ist total aufgeblüht." Inzwischen ist Benny zu einem echten Computer-Freak geworden. "Ich will später eine Computerfirma aufmachen und der reichste Mensch der Welt werden", sagt er überzeugt. Seeger lacht. "So, wie ich in kenne, schafft er das auch", meint sie.

Wie fühlt sich das denn für Benny an, in der Schule, wenn seine Begleitung immer dabei ist? Benny überlegt. "Wenn ich in Not bin, ist da eine, die tritt für mich ein.", sagt er dann. Das stimmt wohl. Seeger nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um das Thema Inklusion geht. Niemand darf wegen seines Handicaps ausgeschlossen werden, so lautet einer der Inklusionsgrundsätze. Aber: "Dieses Prinzip des ‚Alle-müssen-gleich-seins‘, das geht gar nicht", sagt sie. Benny hat nun mal seine Eigenheiten. In diesem Zusammenhang lobt sie die Pädagogen der Ernst-Reuter-Schule. "Unsere Zusammenarbeit klappt perfekt", sagt sie, "die Lehrer sind toll mit Benny." Seeger hat keinerlei Zweifel, dass der stupsnasige, strubbelhaarige Knirps den Realschulabschluss schaffen wird. "Er ist in vielen Bereichen derartig bewandert, dass ich nur staunen kann", erzählt sie. Im Moment schreibt er ein Buch, mit dem Titel: "Mein Waldhaus". Benny baut darin eine Fantasiewelt. Er schreibt über Ziegen, deren Wolle zu Teppichen verwoben wird, "mit goldenem Feenstaub", kräht der Autor. Er schreibt über die von ihm erfundene ‚Kuhstreichelmelkmaschine‘, "dadurch geben sie natürlich mehr Milch", ruft der Erfinder kichernd dazwischen. Dass es Benny Ernst ist mit seiner Kuhstreichelmelkmaschine, können ab sofort die Lehrer in der "Jugend-Forscht" AG der KGS feststellen: Mit den ersten Plänen hat er soeben begonnen.

"Durch Benny lerne ich gerade, zu lernen", sagt Seeger leise. Und, kommt der junge Maschinen- und Geschichtenerfinder denn inzwischen gut klar mit seiner Krankheit? "Welche Krankheit?" erwidert Benny grinsend.

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