Wegen Finanzen: Maria Flachsbarth schreibt offenen Brief an Ramona Schumann
PATTENSEN. Während des Neujahrsempfangs der Stadt Pattensen hatte Bürgermeisterin Ramona Schumann das Thema Finanzen angeschnitten und dabei Kritik am Bund geübt. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Maria Flachsbarth hat darauf jetzt mit einem offenen Brief an die Bürgermeisterin geantwortet, der nachfolgend im Wortlaut veröffentlicht wird. . "Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, aus einem Bericht zum Neujahrsempfang der Stadt Pattensen vom 6. Februar habe ich entnommen, dass Sie mit einem Gefühl von Verwunderung und ansteigendem Ärger die aus Ihrer Sicht ungenügende Unterstützung des Bundestages für die Kommunen wahrnehmen und, dass das Festhalten an der Schwarzen Null von Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble Ihrer Meinung nach den Kommunen die Luft zum Atmen nehme.
Leider konnte ich aufgrund meiner zeitgleichen Aufstellungsversammlung für eine erneute Kandidatur für ein Bundestagsmandat nicht persönlich am Neujahresempfang teilnehmen. Daher möchte ich mich gerne mit diesem offenen Brief an Sie wenden.
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, im November 2016 hat der Bundestag einen Bundeshaushalt für das Jahr 2017 beschlossen, der erneut ohne neue Schulden auskommt. Gleichzeitig ist der Bund auch im Jahr 2016 seiner gesamtstaatlichen Verantwortung mehr als gerecht geworden. Erneut wurden Länder und Kommunen im erheblichen Maße entlastet. Allein im Jahr 2016 summieren sich die zusätzlichen Entlastungen auf fast 30 Milliarden Euro, in der gesamten laufenden Legislaturperiode beträgt das zusätzliche finanzielle Engagement des Bundes zugunsten von Ländern und Kommunen insgesamt ca. 95 Milliarden Euro. Alle Maßnahmen sind einzeln betrachtet gut zu rechtfertigen und politisch gewollt.
In der Gesamtbetrachtung ist allerdings die Belastungsgrenze des Bundes zunehmend erreicht. So hat der Bundesrechnungshof wiederholt vor einer Überlastung des Bundeshaushaltes durch die umfangreichen Unterstützungsmaßnahmen an Länder und Kommunen gewarnt. Ihre kritischen Worte kann ich daher nur dahingehend verstehen, dass sich in Bezug auf die den Kommunen zugedachten Entlastungsmaßnahmen zeigt, dass diese Maßnahmen nicht immer und vollumfänglich bei den Kommunen, wie vom Bundestag gewollt, ankommen, sondern teilweise beim jeweiligen Land verbleiben.
Da der Bund aus rechtlichen Gründen keine Mittel direkt an die Kommunen geben darf, kommen als Transferwege an die Kommunen insbesondere die Umsatzsteueranteile der Kommunen sowie die Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft (KdU) im Rahmen des SGB II in Frage. Zusätzlich kann die Entlastung über die Umsatzsteueranteile der Länder erfolgen, die die Mittel dann an die Kommunen weitergeben müssten.
Unabhängig vom Transferweg zeigt sich aber, dass sich einige Bundesländer im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs die Entlastungen anteilig zurückholen – das gilt für KdU genauso wie für den Umsatzsteueranteil der Gemeinden. Wir können als Bund durch die Wahl des Entlastungsweges also einzelne Kommunen überhaupt nicht gezielt ansteuern. Das findet vor allem durch die Länder und die Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs statt. Auch im Bereich Integrationskosten liegt es in der Verantwortung der Länder, für eine aufgabenangemessene finanzielle Ausstattung der Kommunen zu sorgen.
Ich möchte Ihnen im Folgenden kurz auflisten und aufschlüsseln, welche Entlastungsmaßnahmen der Bund für Niedersachsen zur Verfügung gestellt hat: Durch das Asylverfahrenbeschleunigungsgesetz wird das Land Niedersachsen im Jahr 2016 um 597,2 Millionen Euro und im Jahr 2017 um 220,6 Millionen Euro entlastet. Hinzu kommt eine Integrationspauschale von 192,9 Millionen Euro jährlich von 2016 – 2018.
Der Bund übernimmt die Kosten der Unterkunft nach SGB II für anerkannte Asyl- und Schutzberechtigte in Höhe von 37,3 Millionen Euro im Jahr 2016, 84 Millionen Euro im Jahr 2017 und 121,3 Millionen Euro im Jahr 2018. Desweiteren entlastet der Bund die Kommunen in Niedersachsen um 87,9 Millionen Euro in den Jahren 2015 bis 2017 und 130,4 Millionen Euro allein im Jahr 2017 zum Beispiel durch die Übernahme der Kosten der Unterkunft und einem erhöhten Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer. Der Bund stellt weiterhin Finanzhilfen zur Stärkung der Investitionsfähigkeit finanzschwacher Kommunen bereit. In Niedersachsen belaufen sich diese Hilfen auf 327,5 Millionen Euro. Mit der Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen sollen mit Artikel 7 außerdem Finanzhilfen zur Verbesserung der Schulinfrastruktur finanzschwacher Kommunen eingeführt werden. Niedersachsen erhält dabei 288,8 Millionen Euro. Die Bundesleistungen für die Grundsicherung im Alter belaufen sich im Kalenderjahr 2016 auf insgesamt 676 Millionen Euro und im Kalenderjahr 2017 auf insgesamt 741,5 Millionen Euro. Das Investitionsprogramm "Kinderbetreuungsfinanzierung" beläuft sich im Zeitraum von 2015 bis 2018 auf insgesamt 54,7 Millionen Euro und im Zeitraum von 2017 bis 2020 auf 112 Millionen Euro. Der Bund stellt des Weiteren Mittel für den Betriebskostenzuschuss Kitaausbau im Kalenderjahr 2016 in Höhe von 81,5 Millionen Euro und jeweils in den Jahren 2017 und 2018 in Höhe von 91,2 Millionen Euro zur Verfügung.
Gemäß dem Entflechtungsgesetz stellt der Bund jährlich 123,5 Millionen Euro für kommunale Verkehrswege, 48,2 Millionen Euro für den Hochschulausbau, 1,2 Millionen Euro für die Bildung und 125 Millionen Euro zur Wohnraumförderung bereit. Durch die Übernahme des BAföG durch den Bund werden in Niedersachsen jährlich 109,8 Millionen Euro frei.
Anhand dieser Auflistung wird deutlich, dass sehr darauf geachtet werden muss, dass alle Länder die Mittel für die Kommunen auch wirklich an diese weitergeben. Sicherlich erinnern Sie sich an unsere Gespräche bei meinen Besuchen in Pattensen, wo ich mich immer wieder dafür interessiert habe, ob denn die Entlastungen des Bundes auch in Pattensen ankommen. In diesem Zusammenhang weise ich auf die Diskussionen um die Regionsumlage hin – ich freue mich, dass die neue große Koalition auf Regionsebene sich vereinbart hat, die Regionsumlage im Rahmen des Möglichen zu senken.
Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, auch das Land Niedersachsen immer wieder an seine verfassungsmäßige Aufgabe zur auskömmlichen finanziellen Ausstattung der Kommunen hinzuweisen. Ich freue mich auf unsere weiteren Gespräche und würde sehr gerne im Frühjahr einmal wieder Pattensen besuchen. Meine Mitarbeiterin aus dem Bundestagsbüro wird gerne auf Ihr Büro zukommen."