NABU: Klimawandel verändert Welt der Tagfalter
Der plötzliche Frühlingseinbruch mit ungewöhnlich hohen Temperaturen in Niedersachsen zeigt, wie spürbar der Klimawandel bereits unseren Alltag beeinflusst – und auch die Tierwelt reagiert unmittelbar darauf. Besonders deutlich wird dies bei den Tagfaltern, deren Verbreitung und Lebenszyklen sich zunehmend verändern. „Wir beobachten seit Jahrzehnten eine klare Verschiebung in der Artenzusammensetzung unserer Tagfalter. Einige Arten werden durch den Klimawandel begünstigt, andere geraten zunehmend unter Druck“, erklärt Carsten Heinecke, Schmetterlingsexperte beim NABU Niedersachsen.
Während einige einst häufige Arten wie Wachtelweizen-Scheckenfalter, Großer Perlmuttfalter oder Ockerbindiger Samtfalter in Folge von Lebensraumverlusten fast vollständig aus unseren Landschaften verschwunden sind, profitieren andere Arten von den steigenden Temperaturen und breiten sich zunehmend nach Norden aus.
Ein Beispiel für einen Profiteur der Erderwärmung ist der Karstweißling. Ursprünglich aus Südeuropa stammend, tauchte er 1999 erstmals im Breisgau (Baden-Württemberg) auf und hat sich seitdem bis in norddeutsche Regionen ausgebreitet. Auffällig: Während die Raupen in Südeuropa bevorzugt an Kreuzblütlern in Karstregionen fressen, haben sie sich hierzulande an urbane Lebensräume angepasst und nutzen nun Pflanzen wie Schleifenblumen oder Wilde Rauke als Nahrungsquelle.
Auch der Spiegelfleck-Dickkopffalter wandert seit den 1970er Jahren aus dem Osten nach Niedersachsen ein. Der Kleine Sonnenröschen-Bläuling breitet sich aus südlichen und östlichen Regionen kommend ebenfalls zunehmend in Niedersachsen aus und ist mittlerweile sogar im Westen des Bundeslandes anzutreffen.
Nicht alle Arten profitieren vom Klimawandel. Schmetterlinge wie der Trauermantel, die an ein kontinentales Klima angepasst sind, ziehen sich aufgrund der steigenden Temperaturen zunehmend aus dem Westen Niedersachsens zurück und kommen heute fast nur noch im östlichen Landesteil vor.
Ein weiteres Phänomen sind die teils unerklärlichen Populationsschwankungen bestimmter Arten. Der Kaisermantel etwa verschwand in den 1990er Jahren nahezu vollständig aus Westniedersachsen, breitet sich jedoch seit der Jahrtausendwende wieder langsam aus. Die Gründe für diese Schwankungen sind bisher nicht vollständig erforscht, könnten aber mit wechselnden Witterungsverläufen und sich verändernden Lebensraumbedingungen zusammenhängen.
Eine der robustesten Arten Niedersachsens bleibt der Zitronenfalter. Er übersteht die kalte Jahreszeit durch eine Art „Winterschlaf“ im Erwachsenenstadium (Imago), in dem er seinen Stoffwechsel herunterfährt und sich mit einem körpereigenen Frostschutzmittel vor Kälte schützt. Wenn die Temperaturen im Frühjahr steigen, ist der Zitronenfalter oft der erste Schmetterling, der wieder zu sehen ist – Dazu Schmetterlingsexperte Carsten Heinecke: „Je früher es also im Frühling warm wird, desto früher kann man auch den Zitronenfalter sehen.“
„Der Erhalt vielfältiger Lebensräume ist entscheidend, um auch gefährdeten Arten eine Chance zu geben, sich anzupassen und zu überleben“, betont Carsten Heinecke. „Wir müssen naturnahe Wiesenflächen fördern, Pestizide reduzieren und Raum für wilde Pflanzen schaffen – das ist aktiver Lebensraumschutz für unsere Tagfalter.“