Ein Hauch von "Scorpions" beim Lichterfest
Ein Hauch von "Scorpions" wird Sonnabend, 19. September, beim Lichterfest über das Areal des Sarstedter Freibades wehen: Zurück zu den Wurzeln oder auf Neu-Deutsch "back to the roots" zieht es an diesem Tag den Ex-Sarstedter Wolfgang Dziony, vor 50 Jahren hier am Ort Mitbegründer der inzwischen weltweit für Furore sorgenden Hardrock-Formation "Scorpions".
SARSTEDT.
Dziony wird mit seiner von ihm vor sechs Jahren gegründeten Band "Ballroom Hamburg Allstars" musikalischer Haupt-Act des umfangreichen Rahmenprogrammes beim Lichterfest sein. Wolfgang Dziony (drums, chorus-vocals) freut sich jetzt schon darauf, in seiner alten Heimatstadt Sarstedt sein ganz persönliches 50-jähriges Bühnenjubiläum feiern zu können. Für WD, wie er sich selbst gern nennt, schließt sich seinen eigenen Worten nach zumindest damit musikalisch der "circle of life".
An Dzionys Seite stehen bei den "Ballroom Hamburg Allstars" Lothar Kosbü (Lead-Gitarre, chorus-vocals), Jörn Schomacker (Gesang), Jörg Schöttker (Bass) und Andreas Seeling (Rhythmus-Gitarre) auf der Bühne. Alle Musiker haben in verschiedenen Bands zm Teil jahrzehntelange Bühnenerfahrung in Sachen "Old School Rock". Neben dem Gast-Bassisten Guntram Lukas im dritten Set wird der Hildesheimer Bassist Lothar Heimberg im vierten Programmteil die Band musikalisch unterstützen: "Lollo" Heimberg war Ende der 1960er/ Anfang der 70er Jahre bei den "Scorpions" Nachfolger des verstorbenen Band-Mitbegründers Joachim Kirchhoff und spielte 1972 zusammen mit Rudolf Schenker, Michael Schenker, Klaus Meine und eben Wolfgang Dziony die erste Scorpions-LP "Lonesome Crow" ein. Klar, dass es an diesem Abend auch ein Wiederhören mit bekannten "Scorpions"-Klassikern geben wird. Derzeit befinden sich Rudolf Schenker und Co. auf ihrer umfangreichen Welttournee "Return To Forever", so dass es beim Lichterfest 2015 nicht zu einem erhofften Überraschungsauftritt mit Schenker und Meine kommen kann.
50 Jahre Bühnenjubiläum - nicht viele Rock-Musiker können auf eine solche Karriere zurückblicken. Aber blicken wir doch einmal selbst zurück: "Es war einmal" - so fangen viele Märchen an. Im Sommer 1965 entwickelte sich ein damals nicht vorhersehbares und trotzdem phantastisches Rockmusiker-Märchen in der Lönsstraße 16 in Sarstedt-Giebelstieg. Die "Scorpions" machten als 16-jährige Teenager ihre ersten musikalischen Gehversuche auf dem Weg zum weltweiten Rock-Olymp.
Doch reisen wir in der Zeit noch weiter zurück: Im April 1963 übernahm die Mutter von Wolfgang Dziony die kleine Eckkneipe "Gilde-Eck" in der Sarstedter Ladenstraße. Dazu bezog die Familie um die Ecke in der Lönsstraße 16 die Erdgeschoß-Wohnung rechts, die zur Kneipe gehörte. Im Erdgeschoß links unter der gleichen Adresse wohnte Familie Schenker mit ihren drei Kindern Rudolf, Michael und Barbara. Im Jahre 1964 freundeten sich die Nachbarskinder Rudolf und Wolfgang an und beschlossen, miteinander Musik zu machen.
Etwa zeitgleich lernte der damalige Gymnasialschüler WD seine Sarstedter Jugendliebe Karin kennen, die im selben Bus manchmal morgens zur Berufsschule nach Hildesheim fuhr. Dies war der Start einer inzwischen im 51. Jahr befindlichen gemeinsamen, harmonischen Zukunft, die mit zwei Söhnen und inzwischen zwei Enkelkindern einen starken Familienzusammenhalt ergibt. Mit der Band dauerte es jedoch bei wechselhaften Anfängen bis zum Sommer 1965, dann stand die Anfangsformation der "Scorpions" in der Ur-Besetzung Rudolf Schenker, Wolfgang Dziony, Karl-Heinz Vollmer und Joachim Kirchhoff.
Immer mittwochs, wenn im "Gilde-Eck" Ruhetag war, gab es in der Kneipe alles andere als "Ruhe": die "Scorpions" machten dort "Krach", weil man es "Musik" sicher noch nicht nennen konnte, berichtet WD schmunzelnd. Hier in Sarstedt gingen die späteren "Scorpions" 1965 im damaligen Central-Kino an der Maiwiese zum ersten Mal auf die Bühne - allerdings unter dem Namen "The Nameless", weil man sich noch nicht auf einen gemeinsamen Bandnamen geeinigt hatte. Als Gastmusiker bei einem kleinen "Beatfestival", wie solche Veranstaltungen damals genannt wurden, spielten sie damals zwei oder drei Songs - zu mehr waren die Jungs nach ein paar Wochen Proben noch nicht in der Lage.
Schenker und Dziony teilten sich das Singen, bis später Klaus Meine ab Anfang 1970 diesen Part übernahm. Schenkers Vater Heinrich sorgte für alles "Nebensächliche" wie Instrumente oder Verstärker. Und als nach ein paar Wochen klar war, dass die Jungs das Zeug zu mehr hatten und WD ein richtiges Schlagzeug brauchte, klingelte es abends bei Familie Dziony an der Wohnungstür: Überraschung!!! Vater Heinrich hatte - ohne vorherige Rücksprache - in Hamburg ein blaues Trixon-Schlagzeugset gekauft und vor der Wohnungstür aufgestapelt. WD hat dies dann in kleinen tragbaren Raten bei Heinrich Schenker abbezahlt. Vater Heinrich war es auch, der die ersten Plakate der "Scorpions" zeichnete und sogar selbst im Waschkessel des Wohnhauses unter Ammoniakdampf auf lichtempfindlichem Bauzeichnungs-Papier entwickelte. "Man konnte damals fast nur unter Atemschutz ins Haus", lacht Wolfgang Dziony heute.
Die Jungs hatten sich inzwischen auf den Namen "Scorpions" geeinigt - dies, obwohl zu der Zeit eine Band aus Holland den selben Namen trug. Tenor dazu: "Das macht nix. Nach Holland kommen wir sowieso nicht. Das ist weit weg." Dies steht allerdings im Widerspruch zu den Aussagen von Rudolf etwa zwei Jahre später, der schon seinerzeit prophezeite: "Eines Tages spielen wir in Amerika". Dziony kommentiert: "Wir haben damals dazu nur gesagt, "jaja , träum' weiter!" Die vergangenen Jahrzehnte haben allerdings bewiesen, dass Rudolf so weitsichtig war und alles erreicht hat, was er sich erträumt hat. "Insofern habe ich großen Respekt vor der Lebensleistung von Rudolf und den anderen "Scorpionen", fügt WD huldigend hinzu. Ende 1972, etwa neun Monate nach der Veröffentlichung der ersten LP "Lonesome Crow", eingespielt in Hamburg mit Rudolf Schenker, seinem Bruder Michael, Klaus Meine, Lothar Heimberg und WD, gingen Dziony und die "Scorpions" getrennte Wege.
Die Band hatte in den beiden Jahren davor in einem immer größer werdenden Aktionsradius etwa 130 Auftritte im Jahr. Dies war nicht mehr mit einer Vollzeittätigkeit, wie sie WD als Einziger noch hatte, vereinbar. WD hatte daher die Qual der Wahl: Beruf aufgeben und, ohne Garantie, vielleicht Rockstar werden. Oder wegen Familie und Beruf den Drummerjob in der Band aufgeben, was er dann auch tat. Man trennte sich als Freunde, hat aber den Kontakt auch nach Jahrzehnten nicht abgebrochen. Wenn die "Scorpions" in Deutschland unterwegs sind, sind Karin und WD bei größeren Gelegenheiten oft geladene Gäste der Band.
Zurück zur Gegenwart: Die "Ballroom Hamburg Allstars" mit ihrem Mastermind WD spielen klassischen "Old School Rock" aus der Zeit von 1965 bis etwa 1990 mit Songs von Cream, Thin Lizzy, Deep Purple, Whitesnake, Status Quo, ZZ Top, Alice Cooper, Free, Bryan Adams und Gary Moore, selbstverständlich aber auch von den "Scorpions". Auf der Bühne merkt man den Jungs an, dass sie großen Spaß an der Sache haben: es geht so richtig zur Sache und das Publikum kann dabei jedes Mal kaum die Füße stillhalten. Die "Ballroom Hamburg Allstars" (im Internet unter www.ballroomhamburgallstars.npage.de erreichbar) und besonders Wolfgang Dziony freuen sich jetzt schon auf das Lichterfest im Sarstedter Freibad am 19. September 2015, wo sie ab etwa 19 Uhr die Bühne rocken wollen. Sie wünschen dem Publikum genau so viel Spaß wie sie selbst haben werden, strahlt WD mit leuchtenden Augen. Und zum Abschluss noch diese Meldung: "BHA"-Bassist und "Youngster" der Band, Jörg Schöttker, feiert genau am Abend des Lichterfestes seinen 50. Geburtstag. Wenn das für einen Rockmusiker keine Punktlandung ist! Die Band wird natürlich das Publikum gleich zu Beginn der Show singen lassen. Mal sehen und hören, wie sich so ein Riesen-Chor beim "Happy Birthday" so anfühlen wird...
(Das Interview führte der Sarstedter Jürgen Kirchhoff, Bruder des verstorbenen "Scorpions"-Mitbegründers Joachim Kirchhoff. Dies war ein persönliches Anliegen von Wolfgang Dziony)
Hemmingen, Laatzen, Pattensen und Sarstedt
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